Fertigung der V2, Einsätze und Verbleib nach dem Krieg:
Die A4 Rakete wurde ab 1944 in einem unterirdischen Montagekomplex im Kohnstein nahe Nordhausen zusammengebaut. Insgesamt wurden während des Zweiten Weltkrieges 5975 Raketen von Zwangsarbeitern und deutschen Zivilbeschäftigten aus tausenden Einzelteilen zusammengebaut. Für das hochtechnologische Projekt wurden spezialisierte, inhaftierte Facharbeiter und Ingenieure aus dem gesamten Reichsgebiet und den besetzen Staaten gezielt ausgewählt. Obwohl viele von ihnen einer handwerklichen Prüfung unterzogen und erst danach in den Kohnstein verschleppt wurden, bot man ihnen dort keine besseren Arbeits- und Haftbedingungen als in anderen Konzentrationslagern. Vielmehr konnten sie sicher sein, dass man sie wegen ihrer Einblicke in dieses Staatsgeheimnis nicht mehr lebend freilassen würde.
Dennoch kam es immer wieder zu Sabotageakten, die allerdings die Fertigung der Rakete nie ernstlich behinderten. Bei der Endabnahme erwies sich jede zweite Rakete als nicht voll funktionstüchtig und musste nachgebessert werden. Dies lag jedoch in erster Linie daran, dass die Ingenieure fast täglich aus Peenemünde bauliche Änderungen vorgaben, die den laufenden Produktionsprozess erheblich beeinträchtigten.
Im Zusammenhang mit dem Ausbau des Kohnsteins und der anschließenden Fertigung der V2-Rakete sowie der Flugbombe V1 und von Teilen der Me 262 kamen nach offizieller Zählung in den SS-Akten etwa 12.000 Zwangsarbeiter ums Leben. Dem stehen ca. 8.000 Opfer durch den Einsatz der Waffe gegenüber, in der Hauptsache Zivilisten.. Demnach sind mehr Häftlinge bei der Produktion der Waffe ums Leben gekommen als bei ihrem Einsatz. Es hat keine andere Waffe gegeben, die schon in der Produktion so viele Menschenleben gefordert hat.
Fertigungsstätten für Teile der A4 waren über ganz Deutschland und Österreich verstreut: Im Lager Rebstock bei Dernau an der Ahr wurden in ehemaligen Regierungsbunkern Bodenanlagen und Fahrzeuge für die Rakete produziert. Weitere Beispiele sind die Firmen Gustav Schmale in Lüdenscheid, wo Teile der Brennkammer gefertigt wurden und die Hagener Accumulatoren Fabrik AG, wo die speziellen Akkumulatoren gefertigt wurden.
Mit Sprengköpfen bestückt, wurden mit der “V1” von mobilen Startrampen aus ab September 1944 englische und belgische Städte bombardiert, vor allem London und Antwerpen . Zwar war die Treffergenauigkeit gering, aber die plötzlichen Einschläge ohne Vorwarnung hatten vor allem psychologische Wirkung auf die Zivilbevölkerung, wenn wohl auch weniger als die der V1. Während es bei Angriffen der V1 noch Fliegeralarm gab und jeder wusste, dass die Rakete sehr schwer abzufangen war, gab es bei der A4 nur eine plötzliche Explosion.
Insgesamt kamen etwa 3200 Raketen zum Einsatz. Wenn man davon ausgeht, dass “nur” etwa 8000 Personen durch deren Detonation direkt ums Leben kamen (Verletzte nicht gerechnet) , ergibt sich, dass “lediglich 2,5 Menschen pro Rakete” ums Leben kamen. Deutlicher kann man den Wahsinn der NS-Ideologie, der zum Bau der sog. “Wunderwaffe” führte, nicht entlarven. Eine “Kugel” wäre billiger und “effizienter” gewesen.
Von den abgeschossenen Raketen gingen alleine in London ca. 1360 nieder und in Antwerpen 1610. Hauptsächlich von Den Haag aus wurden 1039 Raketen abgeschossen, vor allem auf London gerichtet. Bei einem alliierten Luftangriff auf die Abschußrampen am 3. März 1945 kamen 510 Menschen ums Leben. Die letzte Rakete im Kampfeinsatz soll am 27. März 1945 von den Deutschen abgeschossen worden sein.
Am 2. Mai 1945 stellte sich von Braun der US-Armee und wurde zusammen mit anderen Wissenschaftlern aus seinem Team in die USA geschickt (Operation Paperclip).
Etwa 100 Beuteexemplare der V2 wurden noch vor dem Einmarsch der Roten Armee von US-Truppen in Nordhausen demontiert und in die USA verfrachtet. Sie bildeten den Grundstock der Raumfahrtentwicklungen in den USA. Die Übersiedlung der führenden Raketentechniker ab Sommer 1945 in die USA lief im Rahmen der geheimen Operation Overcast.
In Huntsville, Alabama wurde ein neues Raketenzentrum gegründet, und zusammen mit den deutschen Wissenschaftlern wurden hier auf dem Testgelände insgesamt 67 A4-Raketen abgefeuert. Sie bildeten den Grundstock für die späteren Saturn-Mondraketen, an deren Entwicklung Werner v. Braun maßgeblich beteiligt war.
Ebenso wurde von der UdSSR eine große Anzahl von deutschen Wissenschaftlern und die Reste der Raketentechnik in die Sowjetunion gebracht, um dort ebenfalls den Grundstock für spätere Entwicklungen zu bilden. Allerdings waren es primär praktisch orientierte Techniker. Die wissenschaftliche Elite zog es vor, in US-Gefangenschaft zu gehen. Die sowjetische R-1 Rakete war der direkte Nachbau der A4. Sie wurde erstmals 1947 vom Testgelände Kapustin Jar gestartet.
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