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Lexikon der Flugzeuge

- Modelle, Technik, Daten, Fakten -

Technische Daten:

Umgebaut zum Flugversuchsträger / Inflight-Simulator mit FbW-Steuerung

Hersteller Grundversion: Fokker (Erstflug: 1971) - Entwicklung und Umbauten: VFW Bremen - Nutzung: Kurzstrecken-Verkehrsflugzeug - Triebwerk: 2 x Rolls-Roxce M 45 H Mk 501 - Schub: 2 x 32.000 N (kein Umkehrschub) - Geschwindigkeit: 700 Km/h max. - Steigleistung: ca. 11 m /s - Dienstgipfelhöhe: 7.600 m - Reichweite: ca. 1.800 Km - Spannweite 21,50 m - Länge: 20,60m ohne Spitze - Höhe 7,85 m - Leermasse: 15.300 Kg - Gesamtmasse: 20.865 Kg - Startstrecke: 1.300 m - Landestrecke: 1.000 m -

Beschreibung:

Hierbei handelt es sich un eine umgebaute Fokker, die für Versuche und Meßtechnik von der DLR Deutsche Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt e.V. genutzt wird. Fachbereich/Institut: Institut für Flugmechanik, Adresse: Lilienthalplatz 7, 38108 Braunschweig -

Forschungsgebiet:

Bewertung und Verbesserung der Flugeigenschaften und Leistungen von Flugzeugen und Hubschraubern. Dazu gehören die Untersuchung von Flugeigenschaften und -manövern mit fliegenden Erprobungsträgern sowie Windkanaluntersuchungen zum dynamischen Flugverhalten von künftigem Fluggerät. Entwicklung und Anwendung effektiver Simulationsmethoden am Boden und in der Luft (In-Flight-Simulation).

Das Forschungsflugzeug ATTAS kann zum Beispiel durch ein frei programmiertes electro-optisches Steuersystem die Flugeigenschaften noch nicht gebauter Flugzeug im Flug simulieren. Eine weitere Maschine wurde von Airbus zu ähnlichen Zwecken umgebaut - die VFW-Fokker 614 ATD - Advanced Technologie Demonstrator. Diese Maschine wurde bis vor kurzem für Test- und Forschungsaufgaben von Airbus Industries genutzt.

Ausstattung:

  • Forschungsflugzeug VFW 614 ATTAS (Advanced Technologies Transport Aircraft System), ausgerüstet mit elektrisch ansteuerbaren Stellsystemen (einschließlich Schub, direkten Auftriebsklappen und Spoilern), Bordrechnersystem, Steuerkraftsimulation, Meß- und Telemetrieanlage
  • ATTAS-Bodensystem-Flugzeugsimulation (einschließlich Festsitzcockpit, Knüppelkraftsimulation und DV-Anlagen wie im Bordsystem, Kapazität für Programmentwicklung)
  • Versuchsanlage für Messungen an Modellrotoren und Modellhubschrauber in großen Windkanälen (ROTEST, ROTOS)
  • Mobile Telemetrie- und Telekommando-Bodenstation

Forschungsbeispiel: Wirbelschleppen

großer Verkehrsflugzeuge können besonders bei geringen Fluggeschwindigkeiten, wie während Start und Landung, sehr intensiv sein. Dies kann für nachfolgende kleinere Flugzeuge eine potenzielle Gefahr darstellen, denn die Lebensdauer dieser Wirbel kann bis zu einigen Minuten betragen. Daher erforscht das Institut für Physik der Atmosphäre im DLR das Verhalten der Wirbelschleppen und Methoden zu ihrer Verminderung schon seit langem theoretisch, experimentell und mit Computermodellen.

Für die Erzeugung von Wirbelschleppen unter kontrollierten Bedingungen wurde vom DLR Flugbetrieb in Braunschweig das Forschungsflugzeug ATTAS bereitgestellt. Dieses vom DLR eigens mit High Tech ausgestattete Advanced Technologies Testing Aircraft System verfügt über aufwändige Klappen an den Tragflügeln, mit denen die Wirbelschleppen gezielt beeinflusst werden können. Das ATTAS Flugzeug mit seinen charakteristisch über den Tragflächen angeordneten Triebwerksgondeln ist eine der letzten in Dienst befindlichen VFW 614 und öfters in Oberpfaffenhofen zu Gast.

Während der Messkampagne im Mai stieg ein Kleinflugzeug, eine ASK16, mit einem der an WAKEOP beteiligten Wissenschaftler an Bord über dem Sonderflughafen Oberpfaffenhofen auf, um die Messstrecke auf dem Flugplatzgelände in genau derselben Weise abzufliegen wie die ATTAS bei ihren Einsätzen. Dabei wurde klar, wie klein die Messgeräte schon aus geringer Höhe wirken und wie exakt daher die ATTAS-Piloten ihr Flugzeug steuern mussten, um die Wirbelschleppen ihres Flugzeuges genau in das Sichtfeld der am Boden stehenden Lidars zu lenken. Hier leistete der Motorseglerflug wertvolle Dienste bei der Koordination von Wissenschaftlern und ATTAS Piloten und lieferte Erfahrungen für die Planung ähnlicher Experimente in der Zukunft.

Geschichte und Entstehung:

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im westen Deutschlands wegen Verbote der Besatzungsmächte und aufgrund Geldmangels mehr als 20 Jahre lang keine Verkehrsflugzeuge produziert. Erst in den 60er Jahren begann eine Zusammenschluß mehrerer bundesdeutscher Flugzeugfirmen, anfangs Entwicklungsring Nord (ERNO) und später Vereinigte Flugtechnische Werke (VFW) genannt, sich Gedanken über ein mit Turbinen angetriebenes Flugzeug zu machen. Dabei versuchten sie nicht, in den von Boeing und Douglas Commercial beherrschten Markt der großen Verkehrsflugzeuge einzudringen, sondern orientierten sich mehr nach "unten", auf den wachsenden Markt für Flugzeuge bis 50 Passagiere.

Zielsetzung und Ergebnisse:

Es sollte ein Flugzeug für Entwicklungsländer und den Betrieb unter schweren Bedingungen gebaut werden.

Das auffälligste Merkmal der VFW 614 ist die Triebwerkmontage auf Pylonen über den Tragflächen, die deshalb erfolgte, weil zum Einsatz auf schlechten Pisten ein kurzes und kräftiges Fahrwerk benötigt wurde. Dadurch wird auch das Einsaugen von Steinen und anderen Gegenständen in die Triebwerke sowie die Störung der Luftströmung vor den Triebwerksöffnungen vermieden. Die hohe Triebwerksmontage erlaubt auch die Ausrüstung mit einem ungeteilten Klappensystem und bietet für den Fall einer Notlandung oder eines Triebwerksbrandes größere Sicherheit.

Ein interessanter Nebeneffekt der Triebwerksanordnung war, dass die Tragflächen die Triebwerke bei Überflug, Start und Landung abschirmten und die VFW 614 dadurch ein relativ leises Flugzeug seiner Zeit war. Airodynamische Vorteile brachten die oben befindlichen Triebwerke ebenfalls. Beim Durchstarten zieht die Maschine nicht einfach nach oben, wie dass sonst meist der Fall ist.

Am Ende der Entwicklungsphase war die VFW 614 - bis auf die Triebwerksanordnung - äußerlich dann doch etwas konventioneller geraten, als man anfangs vorgesehen hatte. Die VFW 614 ist ein Tiefdecker mit gepfeilten Tragflächen. Die VFW erhielt umfangreiche Luftbremsen und Radbremsen mit ABS. Dadurch ist die Start- und Landestrecke mit 1.300 bzw. 1.000 Meter für derartige Flugzeuge sehr kurz. Die Kabine ist für 40 bis 44 Passagiere in 4 Sitzreihen ausgelegt. Eine verlängerte Version war geplant, wurde aber nicht verwirklicht.

Ab 1966 wurde das Projekt von der Bundesregierung finanziell unterstützt. Da für die VFW die Entwicklung eines Verkehrsflugzeuge Neuland war , suchte man nach Partnern, die das Risiko mit übernehmen und sich an der Herstellung beteiligen würden. Die Niederländischen Fokker-Werke sagten zu, und so wurde 1969 aus der VFW 614 die VFW-Fokker 614, die 1971 zum Erstflug startete. Allerdings wurden die Testflüge von einem tragischen Unfall überschattet. Bei einem Testflug in 1972 kam es zum “Flattern” des Höhenruders. Das Flugzeug geriet außer Kontrolle und stürzte ab.

Dennoch schien die VFW-Fokker 614 einen guten Start zu haben. Mitte 1971 hatte VFW-Fokker bereits 26 Optionen und Bestellungen erhalten. Man ging davon aus, dass man ab 175 verkauften Exemplaren Gewinn einfahren würde. Genau zu diesem Zeitpunkt gab es Probleme mit dem Triebwerkshersteller, so dass man erneut umdisponieren musste. Nach und nach erhielt man aber alle relevanten Zulasungen. Die erste Serienmaschine flog am 28. April 1975. Aber das hoffnungsvoll begonnene Projekt sollte in einem ökonomischen Desaster enden. Bestellungen blieben aus und 1977 wurde das Projekt VFW-Fokker 614 nach der Fertigung von 10 Serienmaschinen und 3 Prototypen offiziell geschlossen.

Eine Maschine wurde für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in das Test- und Forschungsflugzeug "Advanced Technologies Testing Aircraft System - “ATTAS" umgebaut und wird immer noch für Forschungsaufgaben genutzt (siehe oben).